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Tantrische Puja

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Wenn man das Wort “Tantra” hört oder liest, denken die meisten, es handle sich um irgendwelche Yoga-Übungen oder sogar schlicht um Geschlechtsverkehr der ‘östlichen Art’. Man mag gar nicht glauben, dass hinter dem Begriff etwas Religiöses, etwas Komplexes und Vielschichtiges steckt. Tantra ist ein Aspekt der hinduistischen Tradition und wurzelt schon Jahrhunderte in ihr. Egal, auf welche Weise es durchgeführt wird oder welche Gottheit verehrt wird, eine tantrische Puja ist immer eine äußerst persönliche, individuelle und spirituelle Angelegenheit. Doch unterliegt sie stets strengen Regeln. Dieser Artikel soll dem Leser ermöglichen, über das Klischee von sexuell geprägten Yogapraktiken hinauszudenken und den religiösen Kern zu erblicken.

Was ist eine Puja?

Beispiel eines yantra

Pujas werden die Verehrungen verschiedener hinduistischer Gottheiten genannt. Jede Puja unterscheidet sich von der anderen, sei es nun durch Opfergaben, durch spezielle mantras (= Aufsagen von Gebeten oder Textstellen) oder durch yantras (= symbolhafte Darstellung von Gottheiten). Jedoch geht es stets um die Verehrung der Gottheit und die damit verbundene Nähe zu eben jener. Eine hinduistische Puja unterscheidet sich jedoch von einer tantrischen Puja. Auf den ersten Blick scheint der Unterschied gering und unbedeutend, doch steckt eine grundverschiedene Haltung dahinter. Kann eine hinduistische Puja auch öffentlich abgehalten werden und kann es dabei schon ausreichen, anwesend zu sein und mantras aufzusagen, ist die tantrische Puja äußerst exklusiv und es ist nur den tantrischen Adepten unter ihrem Guru erlaubt teilzunehmen. In einer tantrischen Puja sind die Bewegungsabläufe in der Form von Yoga ähnlich essenziell wie das Aufsagen von mantras.

Es existieren viele verschiedene Unterarten der tantrischen Puja, sodass hier nur auf drei Arten eingegangen werden kann, die jedoch im Kern grundverschieden sind. Doch auch diese besitzen einen gemeinsamen roten Faden. Eine tantrische Puja beginnt stets mit dem rituellen Waschen, einem spirituellen Bad. Hierbei wird der Körper und der Geist durch geweihtes Wasser und mantras gereinigt und somit auf die folgende Puja vorbereitet. Dazu wird Wasser dem Sonnengott Surya dargebracht, welcher in jeder Puja Erwähnung und Verehrung findet. Erst nach einer kompletten Waschung kann die Puja begonnen werden.

Nitya-Puja

Die wohl am häufigsten durchgeführte tantrische Puja ist die nitya-Puja. Diese soll täglich durchgeführt werden und nimmt mitunter am meisten Zeit in Anspruch. Eine nitya-Puja umfasst generell 34 Verehrungsschritte, doch kann diese Zahl durchaus abweichen und oft werden aus Zeitgründen nur ein Teil der Schritte vollzogen. Die ersten Schritte befassen sich mit der Wahl des Ortes der Puja. Hierbei werden alle Hindernisse und Störfaktoren entfernt sowie eine Segnung des Ortes durchgeführt. Danach wird entschieden, wer die Puja leiten soll.

Teilnehmer einer tantrischen Puja vor einem yantra sitzend

Nach dem Entscheid nehmen alle Teilnehmer ihre Sitzposition ein und die Puja beginnt. Es folgt nun eine Aneinanderreihung von Meditationen, Yoga-Übungen, mantras und mudras (= spezielle Handbewegungen), welche nach strikter Regelung vollzogen werden. Opfergaben sind ebenfalls ein Teil einer solchen Puja. Es werden unter anderem Nahrungsmittel, Kleidung, Blumen und andere Utensilien gegeben. Jedoch werden auch nicht-körperliche Dinge dargebracht, wie zum Beispiel Licht in Form einer Lampe, Feuer und Töne als Musik. Diese Dinge dienen als Symbol. Welche Form von Nahrungsmitteln, Fleisch, Obst oder von Kleidung und Blumen gegeben werden, ist jeweils von der angebetenen Gottheit abhängig, da jede individuelle Wünsche hat. Die Opfergaben werden stets von Gesang und anderen mantras begleitet. Eine Besonderheit lässt sich hier bei der Opferung von Fleisch finden. Die Opferung von Tieren wird in den meisten hinduistischen Pujas nicht vollzogen, da dies als unrein angesehn wird. Anders ist es bei einer tantrischen Puja, wo dies relativ normal ist. Dies ist einer von einigen Gründen, warum der tantrische Glaube im hinduistischen Umfeld in Südasien mit Argwohn betrachtet wird. Ein ähnlich oft missverstandenes Ritual ist die duti-Puja. Dieses Ritual fokussiert die Verehrung des göttlich Weiblichen in Form einer Frau, welche zu den Teilnehmern der Puja gehört. Diese wird nun auf ritueller Basis gewaschen, bekleidet, gefüttert und umsorgt. Hierbei kann es jedoch auch zu geschlechtlicher Vereinigung kommen, welche jedoch nichts mit Lust und Leidenschaft zu tun hat, sondern mit die Vereinigung von Mann und Frau, welche als vollendete Vereinigung angesehen wird. Die Frau dient hier als yantra. Werden nun all diese Verehrungsschritte vollzogen, endet die Puja. Der Ort wird aufgeräumt und alle Anzeichen und Hinweise auf die Puja werden entfernt.

Beispiel einer "normalen" Puja

Naimittika-Puja

Eine weiter tantrische Puja ist die naimittika-Puja. Die naimittika-Puja findet nur in bestimmten Nächten statt, so zum Beispiel zu Neu- und Vollmondnächten sowie in der letzten Nacht des Monats. Hier werden ähnliche Schritte wie in der nitya-Puja vollzogen, jedoch sind nicht so viele Schritte notwendig. Besonders sei bei dieser Puja erwähnt, dass sie essenziell für die Beisetzung von Toten durch ihre Familien ist. Diese kann nur nachts vollzogen werden und ist nötig, damit die “Seele” (= im deutschen Sprachgebraucht beschreibt das Wort “Seele” diesen Zustand am ehesten, doch nicht vollkommen) sich vom Körper lösen kann und in den Wiedergeburtszyklus eintreten kann.

Kamya-Puja

Diese Puja unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von den beiden vorher genannten Pujas. Wie schon erwähnt ist die Puja eine Verehrung einer Gottheit. Es wird keine Rückgabe oder kein Dank von der angebetenen Gottheit erwartet oder verlangt; es geht allein um selbstlose Verehrung. Die Nähe zur Gottheit ist Lohn genug. Anders ist dies bei der kamya-Puja. Diese zielt explizit auf eine Gegenleistung ab und wird somit als Bitte für Gefälligkeiten betrachtet. Es werden Dinge wie die Schlichtung von Streit oder Verbesserung des eigenen Charakters erbeten. Es kann sogar soweit gehen, dass die Bitte um Gerechtigkeit geäußert wird. Bei einer solchen Bitte kann sogar der Schaden eines Mitmenschen erbeten werden, welches im Hinduismus zum Großteil mit Verachtung und Geringschätzung, jedoch auch mit Furcht betrachtet wird. Diese Form von Bitte und Gebet wird gar als “dunkle Kunst” oder “dunkle Magie” betrachtet (= auch hier muss der Begriff “Magie” vorsichtig betrachtet werden, da es kein passenderes Wort im deutsche Sprachgebrauch gibt).

Dieser Artikel kann leider nur einen kleinen Einblick in die komplexe und vielschichtige Welt der tantrischen Puja liefern. Um besser zu verstehen, braucht es jahrelanges Studium.

Zu guter Letzt noch zwei Beispiele einer Puja.

Diese ist eine nicht-tantrische Puja und wird von einem Guru geleitet. Zu ihr können all diejenigen kommen, welche eine öffentliche Puja einer privaten vorziehen.

Diese Puja könne ein Beispiel einer tantrischen Puja sein, welche nur von einer Person durchgeführt wird.

Literatur/Quellenangabe:

Sanjukta Gupta, Dirk Jan Hoens, Teun Goudriaan: “Hindu Tantrism”, Leiden/Köln E. J. Brill, 1979, S. 121-162.

Bilderquellen:

Bild 1

Bild 2

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