Heute hatte ich mal wieder einen stressigen Arbeitstag, ich fühle mich total ausgelaugt! Wer kennt das nicht? Entweder man hört es vom Partner, von der Familie, von Freunden, oder man fühlt es selber.
Arbeit stellt heutzutage oftmals nur noch einen Stressfaktor im Leben eines Menschen dar. Sie hat somit oft die eigentliche Bedeutung einer Berufung verloren und dient nur noch der Existenzsicherung. Damit gehen körperliche und seelische Belastungen einher, bei welchen der jahrtausendalte Text Yoga-Sutra des Patanjali Abhilfe schaffen kann. Die Autorinnen Doris Iding und Katja Kaiser zeigen in ihrer Publikation “Business-Yoga. Entspannt dem Berufsalltag gewachsen sein“, wie Yoga einem stressgeplagten Menschen zu Zufriedenheit und produktiver Zusammenarbeit mit Kollegen verhelfen kann. Yoga kann sich außerdem heilsam auf unseren Körper, unseren Geist und merklich auf unsere Arbeit auswirken.
Was können die Gründe für unseren Stress sein? Und kann ich Übungen zur Bewältigung in meinen Arbeitsalltag integrieren? Die Beantwortung dieser Fragen soll im Folgenden ihren Platz finden.
Wenn Sie sich angesprochen fühlen, etwas für Körper und Seele zu tun und wenn Sie Ihre Arbeitsstelle (wieder) zu einem Ort der Kreativität und Freude machen möchten, lade ich Sie ein, den Beitrag hier weiterzulesen.
Das könnten die Gründe für unseren Stress sein:
Hindernisse stellen nach dem Sutra des Patanjali die subjektive Wahrnehmung, die Ich-Bezogenheit, die Gier, die Ablehnung und die Angst dar, die alle als kosmische Urkräfte beschrieben werden.
Die subjektive Wahrnehmung ist geprägt von der eigenen Kultur, der individuellen Erziehung und Persönlichkeit. Diese versperrt nicht selten die Sicht, um Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Vielmehr ist es unsere subjektive Sichtweise, die unseren Alltag dominiert, meistens auch dann, wenn wir meinen, objektiv zu sein. Deshalb gilt es zu erkennen, dass die eigene Ansicht nur eine unter vielen ist und sich etwas von ihr zu entfernen, um Verständnis für die unseres Gegenübers zu entwickeln.
Vielleicht steht uns aber auch eine übermäßige Ich-Bezogenheit im Weg, dann neigt man nämlich dazu, seine eigene Person überzubewerten und sich bei der Arbeit nicht für das Allgemeinwohl einzusetzen, stattdessen ist man nur auf den persönlichen Karriereaufstieg fokussiert. Das ermöglicht weder eine gute Führung noch eine konstruktive Zusammenarbeit.
Oder ist es womöglich die Gier, die unseren Stress auslöst? Sie ist der Grund, warum wir Überstunden machen und uns keine Zeit für Erholung gönnen. Der Erfolg im Job erscheint uns wichtiger als das Privatleben und wir sind nie wirklich zufrieden mit unserem Ertrag oder Besitz. Einen Auslöser für unseren Stressfaktor Arbeit könnten wir außerdem in der Abneigung finden. Im Sinne des Yoga ist damit das “Aufschieben” von Arbeitsaufträgen gemeint. Auch die Ablehnung von KollegInnen liegt dieser Ursache zugrunde. Haben wir nicht alle schon einmal über unsere KollegInnen hergezogen -Was hat sie/er denn an? Ist sie/er heute schon wieder zu spät gekommen? Könnten wir sie einfach so akzeptieren, wie sie sind, würden wir uns viele negative Stimmungen ersparen und könnten diese umgekehrt produktiv und positiver in unsere Arbeit einbringen.
Der fünfte und letzte Grund könnte durch die Angst hervorgerufen werden. Kennen Sie nicht auch die Angst vor Arbeitslosigkeit, Angst zu versagen, Angst vor den KollegInnen oder dem Chef und die Angst vor Veränderungen? Sie sind ein fast ständiger Begleiter im Beruf. Aber auch außerhalb unserer Arbeitsstelle werden wir mit Ängsten konfrontiert -Ängsten vor Naturkatastrophen, vor Terror. Ganz zentral ist daneben die Angst, Sicherheit im Leben zu verlieren. Diese Ängste begleiten uns bis in unseren Berufsalltag (etwa durch Nachrichten aus dem Radio) und wirken hemmend auf unsere positive Energien, die für unseren Job unverzichtbar sind.
Yoga kann uns dabei helfen, die Gründe für unseren Stress bewusst wahrzunehmen, ohne von ihnen beherrscht zu werden.
Der achtstufige Pfad des Patanjali
Der achtstufige Pfad des Patanjali spielt bei der gelassenen Bewältigung unseres Arbeitstages eine ganz zentrale Rolle, denn er soll unseren Geist beruhigen, unseren Körper mit unserer Seele vereinen und dabei zu innerem Frieden verhelfen. Auf Business-Yoga bezogen, setzt er sich zusammen aus: 1. Einschränkung, 2. positive Empfehlung, 3. fester, stabiler Sitz, 4. Anhalten, Kontrollieren des Atems, 5. Zurückziehen der Sinne, 6. Konzentration, 7. Meditation, 8. Erleben der Einheit. Erst alle acht Elemente zusammen führen dazu, dass wir neue Kräfte für unseren Arbeitsalltag schöpfen können.
Jetzt stellen Sie sich sicherlich die Frage: Es ist interessant diesen Pfad kennenzulernen, aber wie kann ich die Informationen in meinen Berufsalltag einbringen und praktisch umsetzen? Da stoßen wir auf die acht Speichen eines Rades, sie versorgen uns mit Praxisideen, die die Fakten anwendbar machen.
1. Speiche: Wir und die Welt
Täglich geht es um Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Fairness, also um Werte, Normen und allgemeine Verhaltensregeln, die zu unserem inneren Frieden, aber auch zu einem harmonischen Miteinander führen. Auch in unserem Berufsalltag sind diese unabdinglich, denn sie können uns dabei helfen, Neid, Missgunst, Intoleranz und Konkurrenzdenken in konstruktive und respektvolle Zusammenarbeit und Toleranz umzuwandeln. Wenn wir erkennen, dass wir alle gleichwertige Geschöpfe sind, erleben wir uns selbst zufriedener und entspannter. Die Selbsterkenntnis spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Denn nur, wer seine eigenen Gefühle und Gedanken kennt und mit seinen Bedürfnissen umzugehen weiß, der ist auch in der Lage, die seines Gegenübers zu erkennen und sein Empfinden und seine Ängste zu erkennen.
2. Speiche: Für sich selbst sorgen
Durch unsere fordernde Arbeit vergessen wir gelegentlich, uns um uns selbst zu kümmern. Es ist doch oft so, dass wir kaum Zeit haben, etwas Nahrhaftes zu essen. Dann haben wir nur eine kurze Essenpause und vernachlässigen dadurch unseren Körper, indem wir oftmals Fast Food essen. Hinzu kommt, dass uns unsere Arbeit uns bis in die Nacht begleitet, wir bekommen also nicht genügend Schlaf, trinken deshalb viel Kaffee, um wach zu bleiben und am Bürotisch macht sich die Trägheit an unserer Sitzhaltung bemerkbar. Eine Reinigung und allgemeines Wohlbefinden könnten wir erreichen, indem wir Wasser abkochen, es heiß in einer Thermoskanne mit zur Arbeit nehmen und es über den Tag verteilt trinken. Eine Übung, die uns hilft, wieder zu uns zu finden und uns selbst ein Lächeln zu schenken, ist es, die Umgebung bewusst wahrzunehmen und dann in uns hineinzuhorchen. Im Idealfall haben wir einen Ausblick wie hier abgebildet, achten darauf, was in unserem Umfeld geschieht, lauschen den Gesängen der Vögel und genießen die Sicht aus dem Fenster. Sodann schließen wir unsere Augen und Leben nur im Hier und Jetzt und blenden andere Gedanken aus. Wir nehmen unseren Atem bewusst wahr, konzentrieren uns auf ihn und entspannen. Wir stellen uns vor, wie uns alles Negative durch die Füße verlässt und an der Stelle eine Blume wächst. Sind wir wirklich enspannt, stellen wir uns vor, wie wir uns selbst anlächeln und beenden diese Reise in unser Inneres, indem wir uns im Geiste vor uns selbst verneigen.
3. Speiche: Mehr Energie am Arbeitsplatz
Wer fühlt sich im Laufe des Tages nicht irgendwann ausgelaugt und ist nicht besonders zur Mittagszeit müde, was sich dann auch auf unseren Körper auswirkt. Im traditionellen Yoga ist bekannt, dass die Vitalität eines Menschen im Becken angesiedelt ist. Asanas können uns dabei helfen, wieder standfest zu werden, unsere Wirbelsäule zu entlasten und mithilfe von Meditationsübungen, die sich besonders auf diesen Bereich konzentrieren, kommen wir wieder mit unserer Lebenskraft in Kontakt. Durch körperliches Gleichgewicht fühlen wir uns sicher und auch die Arbeit fällt uns dann leichter. Vielleicht hätten Sie ja einfach mal Lust, eine der dargestellten Abbildungen auszuprobieren. So Manchem haben sie schon dabei geholfen, alte Laster abfallen zu lassen, um Platz für Neues zu schaffen.
4. Speiche: Durchatmen – aufatmen
Frische Luft bringt bekanntermaßen neue Energie und ermöglicht oft neue Kraft und Kreativität. Wer hat das nicht schon einmal erlebt, dass man während einer langen Autofahrt müde wird, die Augen fast zufallen, sodass nur noch ein frisches Lüftchen hilft, damit man wieder wach wird. Das kann auch im beruflichen Alltag vorkommen. Wenn wir bewusst tief ein- und ausatmen, spüren wir eine tiefe Verbindung zu uns, aber auch zum Kosmos und zu unseren Mitmenschen. Sobald wir diese Verbindung aufbauen, fühlen wir uns vollkommen und es fällt uns leichter, unsere Arbeitskollegen und unseren Vorgesetzten mit ihren Eigenarten anzunehmen. Wir fühlen uns insgesamt gelassener. Reinheit und Frische für Körper und Geist erhalten wir durch das Einatmen. Ängste und schlechte Erfahrungen lösen sich, wenn wir bewusst ausatmen. Besonders zentral für unseren Berufsalltag ist, dass durch reinen Sauerstoff unser Gehrin besser durchblutet wird und neue Ideen entstehen können. Eine Übung, um den Atem zu spüren, möchte ich Ihnen jetzt darstellen. Sie setzen sich, fokusieren sich auf einen Punkt in Ihrem Körper, blenden alle Gedanken aus und schließen die Augen. Dann nehmen Sie Ihren Atemrhythmus bewusst wahr, ohne ihn zu verändern. Achten Sie auf die Atemströmungen in Ihrer Nase und Luftröhre, wie sich der Bauch wölbt und wieder abflacht. Intensiver wird das Gefühl, wenn Sie zu sich sagen: “Ich atme Entspannung ein. Ich atme Anspannung aus.”
Wer mag, kann auch die folgende Übung ausprobieren und vielleicht sogar für sich entdecken.
5. Speiche: In sich gehen – Balance finden
Unser Alltag wird häufig von zu vielen Reizen begleitet und auch nach der Arbeit, beispielsweise beim Fernsehen, wenn wir meinen abzuschalten, wirken weiterhin viele Reize auf uns ein. Auch das wöchentliche “Desperate Housewives” oder “Two and a half Men”- Schauen hilft entegen unserer Annahme nicht dabei, abzuschalten und unseren Körper zur Ruhe kommen zu lassen. Denn wir geben unseren Sinnen auf diese Weise nicht die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, um sich zu regenerieren. Wie wäre es stattdessen mal mit einem abendlichen Spaziergang mit dem Partner oder dem Hund und einem anschließenden Bad?
Ziel des Yoga ist also zu vermitteln, dass nicht die äußeren Sinneseindrücke zu unserem Glück führen. Wahre Glückseligkeit ist nämlich nur in uns selbst zu finden.
6. Speiche: Konzentriert arbeiten
Bezogen auf Business-Yoga beschreibt Konzentration das Fokusieren einer momentanen Tätigkeit und eines einzigen Objektes. Unser Geist kann dadurch Ruhe finden, unsere Gedanken verlieren sich nicht und wir können unsere Emotionen bewusst einsetzen. Eine Beispielübung für Zwischendurch: Sie sitzen gerade auf dem Stuhl und Ihre Hände liegen locker auf Ihren Oberschenkeln. Mit geschlossenen Augen verfolgen Sie Ihren Atem und begleiten diesen mit passenden Handbewegungen.
7. Speiche: Arbeit und Meditation
Die Konzentration bildet den Mittelpunkt für die Medtation. Zusammen mit der bewussten Atmung lernen wir, uns auf sie einzulassen und uns ihr hinzugeben. Dabei sollten wir bestmöglich alle Gedanken ausblenden und uns vollends der Meditation widmen, etwa wie die Meditierenden es hier vormachen.
8. Speiche: Erfüllende Arbeit
Im letzten Schritt erleben wir uns als Einheit zwischen uns selbst und dem Göttlichen während der Yogapraxis. Für unseren Alltag bedeutet das, dass wir eins mit der Welt werden und sich jegliche Grenzen aufheben. Es ist ein völliger Moment der Ruhe, wir erkennen unser wahres Selbst, was als Ziel der spirituellen Praktiken anzusehen ist. Für unseren Beruf bedeutet es, dass wir totale Zufriedenheit mit unserer Tätigkeit spüren, weil wir nicht mehr das Gefühl haben, uns beweisen zu müssen, verlangen nicht mehr nach Bestätigung und es begleitet uns nicht mehr der Konkurrenzgedanke. Also ein gesundes Selbstbewusstsein, welches das tägliche Leben erleichtert und angenehmer macht, sowohl für uns selbst als auch für unsere Mitmenschen, sei es im Job oder im Kreis der Liebsten. Ist das nicht die ideale Voraussetzung für eine erfüllende Arbeit, auf die man sich täglich freut und für einen erholsamen Feierabend im privaten Umfeld?
Die gennanten Gründe für unseren Stress sind doch sehr real und einige finden wir sicherlich auch als Ursache für unsere Überbelastung. Warum sollten wir dann nicht versuchen, sie zu erkennen und bewusst wahrzunehmen, um ihnen entgegenzuwirken? Der erste Schritt in Richtung Gelassenheit ist also das in-sich-Kehren und Erfassen, was uns an einer Ausgeglichenheit hindert. Ist das geschehen, können wir uns auf den praktischen spirituellen Weg begeben und aus unserem Beruf wieder eine Berufung machen.
Vielleicht finden die Anregungen Platz in Ihrem Alltag, damit Sie Ihren Arbeitstag zukünftig anders beenden können als mit einem atemlosen “endlich Feierabend”.
Quelle: Iding, Doris & Kaiser, Katja: Business-Yoga. Entspannt dem Berufsalltag gewachsen sein. Knaur, München 2005.