Yoga. Jeder, der dieses Wort hört, weiß etwas damit anzufangen. Doch nur wenige kennen die Bedeutung, die es in indischen religiösen Traditionen hat. Die überwiegende Mehrheit denkt bei Yoga an eine Sportart, die aus Indien stammt und Ähnlichkeit mit Gymnastik hat. Dieses Missverständnis ist sehr wahrscheinlich dadurch entstanden, dass sich die Yogaformen, die hier in den westlichen Sportstudios betrieben werden, dem Westen angepasst haben. Durch diesen Artikel möchte ich diese Missverständnisse aufklären und nicht nur den Ursprüngen des Yoga auf den Grund gehen, sondern beschreiben, wie Yoga in Indien betrieben wird.
Doch zunächst widmen wir uns dem Begriff “Yoga”, der aus indischen Traditionen stammt und eine zweifache Bedeutung hat. Zunächst bedeutet er Selbsterlösung, indem man den Geist befreit und die gesamte Kontrolle und Beherrschung des Körpers übernimmt. Außerdem bedeutet es, dass sich das individuelle Bewusstsein mit dem allumfassenden Bewusstsein vereint. Hierzu gibt es ein schönes Zitat von dem indischen Gelehrten Patanjali:
Yoga ist die Fähigkeit, den Geist aussschließlich auf ein Objekt auszurichten und diese Ausrichtung ohne Ablenkung aufrechtzuerhalten.
Die Bhagavad Gita
Doch wo hat diese Form der Spiritualität ihren Ursprung? Die ältesten Hinweise auf Yoga sind in der Zeit der Veden zu finden, die etwa auf 1500-300 v. Chr. zu datieren ist. Doch wirklich systematische Darstellungen von Yoga sind erst in der Bhagavad Gita zu finden. Die Bhagavad Gita wird häufig als wichtigste Quelle des Yoga bezeichnet und ist neben der Bibel der am häufigsten übersetzte spirituelle Text der Welt. Die Bhagavad Gita beinhaltet auch Lehren der Veden und Upanishaden. In der Bhagavad Gita wird das Yoga nicht als eine spirituelle Form der Meditation dargstellt, sondern als ein Weg beschrieben, den man in seinem Leben beschreiten kann. Davon gibt es nicht nur einen, sondern verschiedene Wege. Diese werden in den unteren Absätzen vorgestellt.
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Sie enthält 700 Verse und 18 Kapitel und wurde 1823 erstmals in Deutschland veröffentlicht, wo sie großen Anklang fand. Hermann Hesse widmete ihr ein Gedicht und Wilhelm von Humboldt äußerte sich wie folgt: Sie ist das” Tiefste und Erhabenste, was die Welt aufzuweisen hat. Ich danke Gott, dass er mich so lange hat leben lassen, dass ich dieses Buch noch lesen konnte.”
Doch nun zum Inhalt des Buches. Das Buch ist Teil eines Epos, in dem auch zwei wichtige Charaktere erscheinen, Arjuna der Kriegsfürst und Krishna. Arjuna zweifelt an seiner Aufgabe, die darin besteht, seine Gegner zu töten. Diese sind seine Verwandten und Freunde. Als er beschließt, sich zurückzuziehen, tritt Krishna in Erscheinung und sagt, er solle seine Schwäche überwinden und sein Schicksal erfüllen, indem er im Geiste des Yoga handelt. Krishna erläutert ihm die Yoga-Wege: er muss im Handeln weise sein und seinen eigenwilligen und gestümen Geist überwinden. Außerdem muss er eins sein mit dem Selbst und erkennen, dass der Gott in ihm identisch ist mit dem Gott, der in allem ist, was existiert. Des Weiteren gibt er ihm Empfehlungen für eine gemäßigte Lebensweise, die zu einem ausgeglichenem Geisteszustand führt. Die heutige Hauptlehre ist auf drei Yoga-Wege reduziert, die für alle Menschen zur Verfügungen stehen und dazu dienen sollen, sie von allem existenziellen Leid zu befreien.
1. Karma-Yoga
2. Jnana-Yoga
3. Bhakti-Yoga
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Jetzt wissen wir etwa, wo Yoga seinen Urpsrung hat, doch nicht, wie es sich entwickelt und vor allem wie es seinen Weg in den Westen fand. Leider gibt es nur sehr wenig sichere Quellen, die uns zur Verfügung stehen. Es ist aber sicher, dass der in Indien bekannte Übungsweg seit mehr als 3500 Jahren praktiziert wird und Yoga eine der ältesten Erkenntnislehren überhaupt ist. Da man die Geschichte des Yoga nicht von der Geschichte Indiens trennen kann, werden wir uns zunächst der Landesgeschichte widmen.
Die Geschichte Indiens
In Gebieten der Induskultur (im heutigen Pakistan) wurden die ältesten Yogafunde ausgegraben, Tonfiguren in typischen Yogastellungen. Die Induskultur war eine hochentwickelte Städtekultur, die durch einen regen Handel bis Mesopotamien, Arabien und Indien vordrang. Die Ureinwohner Indiens lebten aber außerhalb der Städtekultur in Stämmen und hatten dort ihre Gemeinschaften. Hier bildeten die Schamanen die Zentralfiguren und berieten oft die Herrscher. Aus dieser Zeit stammt eventuell Yoga.
Später, wahrscheinlich auch im Zusammenhang mit Tantra, bildete sich Hatha-Yoga. Im Tantrismus gilt der Körper als Ort der Wahrheit und Erkenntnis und nur von dort kann der Mensch seine Befreiung erlangen. Doch dazu muss der Körper gesund und kräftig sein. Hier kommt nun das Hatha ins Spiel. Im Hatha wird das Yoga in Form einer Dualität ausgeübt. Die Psyche und Physis beeinflussen sich gegenseitig ebenso wie Shakti und Shiva. In der Symbolik spiegelt sich das so wieder: da gibt es einmal das Ha , was für die Sonne steht, und das Tha, was für den Mond steht. Zusammen ergibt es dann Hatha.
Der Weg in den Westen
Eins der ersten Zusammentreffen der indischen und der westlichen Kultur erfolgte 1893, als der indische Gelehrte Svami Vivekanada nach Amerika emigrierte und drei Jahre später die Vedanta Society gründete. Drei weitere Inder folgten seinem Beispiel und gründeten erste Schulen im Westen. Hauptsächlich ging es ihnen darum, den westlichen Menschen die Techniken des Yoga zu vermitteln, wie die Übungen, den Atemkontrollen und die geistige Konzentration. Nun zeigten auch die ersten Europäer Interesse und machten Yoga der Öffentlichkeit zugänglich. 1911 erschien eins der ersten Bücher über Yoga in Europa: ” Übersicht über systematische Yogaphilosophie” von dem dänischen Indologen P. Tuxen. Dem folgten erste wissenschaftliche Forschungen. Zwei Jahre später erschien dann ein neues Buch von William Hudson, der als erster den Schwerpunkt auf den gesundheitlichen und therapeutischen Aspekt setzte. Im Westen erlebte Yoga seinen ersten Höhepunkt während der sechziger und siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Die neuere gesundheitsorientierte Form fand bis heute großen Zuspruch. Schon seit in den Dreißigern die erste Schule von Boris Sacharow gegründet wurde, stand der körperliche Aspekt in den Übungen im Vordergrund. Damals wurden hauptsächlich die Körper-Atem- und Konzentrationsübungen vermittelt.
2001 wurde eine Studie über Yoga durchgeführt, bei der ermittelt wurde, wieviele Personen und aus welchem Grund sie Yoga praktizieren. Sie ergab, dass mehr als 3 Millionen Menschen mit Yoga Praxiserfahrungen haben. Als Gründe gaben sie Antistreßübungen, Entspannung, Konzentration und Selbstbeherrschung an. Eben diesen Gründen hat sich Yoga im Westen angepasst. Vereinfacht könnte man sagen: Während in Indien die Spiritualität im Vordergrund steht, hat im Westen der körperliche Aspekt Priorität. So haben sich im Westen eigene Formen von Yoga herauskristallisiert, die oft psychosomatische Übungen beinhalten. Dies sind Bewusstseinsschulungen, Training der Muskelaktivität und eine gleichzeitige Entwicklung der Persönlichkeit.
Gib dich ganz dem Yoga hin, denn wo bleibt der Konflikt, wenn die Wahrheit erkannt ist, wo bleibt die Krankheit, wenn der Geist klar ist, wo bleibt der Tod, wenn der Atem beherrscht ist? (Yogi Krishnamacharya)
http://www.youtube.com/watch?v=Hu9Sq1RvuoA
Quellen: Andrea Ullbrich, Yoga – von den indischen Wurzeln zur westlichen Bewegung, Saarbrücken 2006.