Tantra ist eine Jahrhunderte alte religiöse Tradition. Viele Menschen auch in unserer modernen Welt praktizieren sie. So ist es nur natürlich, dass Tantra auch in unserer westlichen Kultur vorgedrungen ist. Doch ist dies auch die Tradition in seiner ursprünglichen Fassung oder gibt es Unterschiede? Ist das ‘westliche’ und das ‘östliche’ Tantra ein- und dasselbe oder gibt es Unterschiede?
Zu diesem Thema wurden schon viele Artikel, Bücher und Zeitschriften verfasst. Eines dieser Bücher wird in diesem Artikel behandelt. Das Zeil ist es, das Klischee Rund um das Thema “Tantra und Sex” zu beleuchten und Klarheit zu schaffen.
Das hier thematisierte Buch ist “Tantra für den Westen”, verfasst von Marcus Allen. Hier wird jedoch nur ein Ausschnitt vorgestellt. M. Allen thematisiert, inwiefern die Liebe und der Sex eine tragende Rolle im Tantra spielen und versucht dem Leser bei dessen Praktizierungen hilfreich zu sein. Darüber hinaus versucht M. Allen, dem Leser das Wesen des Tantra näher zu bringen.
Tantra für den Westen
M. Allen beginnt damit, dem Leser deutlich zu machen, er solle zu allererst sich selbst wahrnehmen und sich fragen, was man selbst möchte. Er möchte, dass sich der Leser fragt, wie er zu Sex und seinem Sexualleben steht und ob er zufrieden ist. Besonders betont wird hier das Vorkommen von Schuld. Fühlt sich der Leser durch die Ausübung seines Sexuallebens schuldig und wenn ja, warum? Für M. Allen ist es wichtig, dass man nicht mit Schuldgefühlen lebt, sondern ergründet, warum diese existieren. Will man in seiner Sexualität frei sein, so muss man schuldfrei sein. Hierbei solle man sich ein gewissen Vertrauen aufbauen. Zuerst solle man sich selbst vertrauen, bevor man anderen vertrauen kann. Man soll seine eigenen Grenzen finden und die ausprobieren. M. Allen betont, dass man ruhig alles mögliche ausprobieren sollte (gemeint ist hier Gruppensex, Prostitution usw.). Erst wenn man an seine Grenzen gestoßen ist, ist man sich dieser im Klaren. Dies sei ein Prozess, der wichtig sei.
Im Folgenden beschreibt M. Allen die Energie, die beim Sex frei wird. Diese Energie sei kosmischer Natur und würde sich aus dem Universum speisen. Durch die Umwandlung der körpereigenen Energie, die jedem Menschen innewohnt, enstehe eine Verbindung zum Universum. Der Körper besitzt einige Energiezentren, welche durch Konzentration auf diese erweckt werden und durch den Körper wandern, so M. Allen. Durchströmt diese Energie nun den Körper, wirkt sie erfrischend, verjüngend und heilend. Grundessenz dieser Energie sei die Liebe, welche Herz und Sinne öffnet, so M. Allen. Er betont, dass übermäßige Zurückhaltung aus falschen Gründen den Geist von dieser Energie abschottet und man somit eine Blockade hat. Falsche Zurückhalten wäre Spiritualität oder Moral. Zwar ist beides nichts Schlechtes, doch sollte es nicht dem Menschen im Wege stehen. Erst durch Überwindung dieser überflüssigen Grenzen kann der Geist frei sein. Hier betont M. Allen jedoch, dass es manchen Menschen so recht und gut wäre, was in seinen Augen keinesfalls falsch wäre. Tantra ist eine sehr persönliche Sache, so muss jeder Mensch seinen eigenen Weg finden, egal auf welche Art und Weise. Dies sei eine besonderer Aspekt des Tantra. Tantra akzeptiere alles und lehne nichts ab, weder Homosexualität, Monogamie, Polygamie oder Enthaltung. Als dies sind richtige Wege zur inneren Freiheit.
M. Allen fokusiert sich nun auf den tantrischen Sex. Dieser sei schon uralt und viele Schriften und Bücher wurden dazu verfasst, obwohl auch vieles in Vergessenheit geraten wäre. Als Beispiel wird angeführt, dass der berühmte ‘tantrische’ Tempel in Kajuharo als solcher selbst von den Ortsansässigen nicht so betrachtet würde. Die Verehrung des menschlichen Körpers sei eine Verehrung an Gott selbst. M. Allen meint, dass jeder Mensch ein Abbild Gottes sei und somit ein gottgleiches Wesen. Der Körper wäre ein Art Tempel, welcher sich zu verehren lohnt. Dies kann mitunter durch Blumen, Töne und Speisen geschehen und soll die Sinne des Körpers erweitern. Die Vereinigung zweier Körper ist eine Verschmelzung göttlicher Wesen, die in einem Höhepunkt endet. Ob dieser Höhepunkt wichtig sei, wäre jedoch nicht endgültig klar und jedem Paar wäre es selbst überlassen, so M. Allen. Zuletzt betont M. Allen noch einmal, wie wichtig die Liebe beim Tantra sei. Erst durch die Liebe könne man die Schönheit in seinem Gegenüber und somit auch in sich selbst sehen. Hat man dies erkannt, so kann der Geist frei sein und die sexuelle Praktizierung des Tantra sei erst dann vollkommen möglich.
Fazit
So umfassend und bildlich M. Allens Abhandlung über die Liebe zwischen den Menschen ist, so hat dies jedoch nichts mit dem ursprünglichen Tantra zu tun. Tantra ist eine alte indische Tradition, welche die Öffnung des Geistes und die Kommunikation mit dem Universum ermöglichen soll. Dies geschieht jedoch nicht durch die Praktizierung von irgendeiner Art von Sexualität. Tantra in Südasien ist durchsetzt mit Regeln und Geboten, welche eingehalten werden müssen und somit einen strengen Weg vorgeben. Zwar gibt es viele grundverschiedene Wege des Tantra, welche meist unterschiedliche Aspekte betonen, doch ist keiner dieser Wege von Lust und Leidenschaft in Form von Sex geprägt. Wenn eine sexuelle Handlung vollzogen wird, was durchaus vorkommen mag, jedoch selten, so wird selbst dies unter strengen Regeln gemacht. Lust ist niemals ein Aspekt. Ander bei M. Allen, so in seiner andeutungshaften Beschreibung einer Puja. M. Allen behauptet, dies geschehe zur Sinneserweiterung und somit zur Freiheit der sexuellen, kosmischen Energie. Jedoch ist eine Puja im südasiatischen Tantra eine strenge Abfolge von Gebet und Yoga, sowie Gabenbereitung. Ebenso erwähnt M. Allen einen Tempel in Kajuharo, welcher laut ihm ein tantrischer Tempel wäre. Diesem Irrglauben sitzen jedoch viele westliche Touristen auf. Der Sinn und Zweck dieses Tempels ist bis heute nicht genau geklärt, jedoch ist dies kein urtantrischer Sextempel. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Ortsansässigen dies verneinen. Die Darstellung M. Allens des Tantra ist somit geprägt vom einer Uminterpretation des tantrischen Glaubens, welche in den westlichen Kulturen sehr oft vorkommt.
Bilderquellen:
http://www.tantra-mandala.de/bilder/Fotolia/Was_ist_Tantra_2.jpg
http://ecx.images-amazon.com/images/I/61ToaVpuZVL._SL500_AA300_.jpg
http://www.die-virtuelle.com/sites/archiv/2010/04/pics/Tantra/tantra.jpg
Literaturangabe:
Marcus Allen: “Tantra für den Westen”, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1997, S. 65-82.